8. Verlieren
Friedrich IV., letzter Herzog von Sachsen-Gotha-Altenburg, legte angesichts des Erlöschens seines Hauses 1824 testamentarisch fest, die Herzogliche Bibliothek und die anderen herzoglichen Sammlungen dauerhaft auf Schloss Friedenstein zu erhalten. Sicherlich gab es seit der Gründung der Bibliothek bis ins 19. Jahrhundert immer wieder Bücherschädigungen, Buchdiebstahl und Aussonderungsaktivitäten sowie Buchverkäufe. Doch erst im 20. Jahrhundert ließ die 1928 eingesetzte Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha’sche Stiftung für Wissenschaft und Kunst bedeutende Teile veräußern. Auch ließ das Herzoghaus am Ende des Zweiten Weltkriegs handschriftliche Spitzenstücke der Bibliothek sowie einige der frühesten gedruckten Werke nach Coburg bringen und später verkaufen. Sie sind heute weltweit zerstreut.
Die Einleitung zum Anhören
Für alle Zeiten unzertrennt. Das Testament Friedrichs IV. vom 13. Dezember 1824
Für alle Zeiten unzertrennt. Das Testament Friedrichs IV. vom 13. Dezember 1824
Minister Bernhard von Lindenau wollte angesichts der fehlenden männlichen Nachkommen von Herzog Friedrich IV. den Zerfall des Herzogtums Sachsen-Gotha-Altenburg und dessen Sammlungen verhindern. So trägt das Testament Friedrichs IV. seine Handschrift und wurde von ihm gegengezeichnet. Bibliothek und Sammlungen sollten für alle Zeiten unzertrennt bleiben und nie aus Gotha entfernt werden. Das Testament ermöglichte den Erhalt nach der Gründung des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha 1825. Im 20. Jahrhundert wurden jedoch bedeutende Handschriften veräußert.
Von Gottes Gnaden Wir Friederich Herzog zu Sachsen […] thun hiermit kund und verordnen folgendes […]. Gotha, 13. Dezember 1824. Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Gotha, Geheimes Archiv YY (HXII) VIIa, f. 1r–6v.
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Herzogliche Bibliothek Gotha, Fideikommiss, Zweiter WeltkriegRelevante und verbundene Orte
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Vom Herausschneiden. Die Entnahmen für Prinzgemahl Albert
Vom Herausschneiden. Die Entnahmen für Prinzgemahl Albert
Prinzgemahl Albert von Sachsen-Coburg und Gotha engagierte sich von London aus für die Gothaer Bibliothek und schenkte Bücher. Für die Einrichtung der Lutherbibliothek in Coburg verlangte er von Gotha die Bereitstellung von Drucken Luthers aus dem 16. Jahrhundert. Doch die Bibliothek wollte solch wertvolle Drucke nicht hergeben. Albert drohte mit dem Abbruch des Vorhabens. 1861 schickte der Gothaer Bibliotheksdirektor Eduard Jacobi schließlich 41 Drucke nach Coburg, die er aus bestehenden Sammelbänden herausschneiden ließ. Dies riss im wahrsten Sinne des Wortes Lücken, wie hier zu sehen ist.
Erasmus Alberus, Der Barfuser Münche Eulenspiegel und Alcoran. Mit einer Vorrede von Martin Luther. Wittenberg 1542. Forschungsbibliothek Gotha, Theol 4° 331–332 (11).
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Herzogliche Bibliothek Gotha, Lutherbibliothek Coburg, ProvenienzgeschichteRelevante und verbundene Orte
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Der verkaufte Goethe
Der verkaufte Goethe
Über die Freundschaft Prinz Augusts von Sachsen-Gotha-Altenburg mit Johann Wolfgang von Goethe können 1790 auch zehn Zeichnungen Goethes in die Bibliothek gelangt sein. Nur sechs der Zeichnungen sind noch im Besitz der Forschungsbibliothek. Vier Zeichnungen wurden am 16. Februar 1936 durch die Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha’sche Stiftung für Kunst und Wissenschaft verkauft. Davon zeugt ein Passepartout mit einer Fehlstelle, in der über der zu sehenden Goethe-Zeichnung einst Goethes Radierung „Brandstätte“ lag. Sie befindet sich heute im Goethe-Nationalmuseum der Klassik Stiftung Weimar.
Passepartout mit einer Zeichnung Johann Wolfgang von Goethes. Forschungsbibliothek Gotha, Chart. A 1065.
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Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha’schen Stiftung für Kunst und Wissenschaft, Zweiter Weltkrieg, ZeichnungenRelevante und verbundene Orte
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Der zurückgelassene Einband
Der zurückgelassene Einband
Die Ottheinrich-Bibel gehört zu den ältesten deutschen Übersetzungen des Neuen Testaments. Ab 1622 gelangte sie von Heidelberg nach München, als Kriegsbeute nach Weimar und 1640 in das neu gegründete Herzogtum Sachsen-Gotha. Seit dem 19. Jahrhundert ist die Handschrift in acht Teile geteilt. 1936 wurden fünf an das Kurpfälzische Museum Heidelberg entliehen und von dort 2003 nach Coburg gegeben. Die drei übrigen Teile gelangten 1945 nach Coburg. 1950 bzw. 2007 erwarb die Bayerische Staatsbibliothek München die Teile. Um die Bibel zu vervollständigen, gab die Forschungsbibliothek 2007 den Holzdeckeleinband des 15. Jahrhunderts, der in Gotha verblieben war, als Dauerleihgabe nach München.
Einband der Ottheinrich-Bibel (Regensburg, um 1435–1440/1530–152, Handschrift. Pergament), 15. Jahrhundert, Holzdeckel mit Pappe und Leder. Depositum der Forschungsbibliothek Gotha in der Bayerischen Staatsbibliothek München zu Cgm 8010, ehemals Herzogliche Bibliothek Gotha, Memb. I 11.
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Bibel, Kriegsbeute, Einband, Bayerische Staatsbibliothek MünchenRelevante und verbundene Orte
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Beim Bombenangriff zerstört. Das Bibliothekstor
Beim Bombenangriff zerstört. Das Bibliothekstor
Am Ende des Zweiten Weltkriegs entging der Ostturm knapp seiner Zerstörung. Unmittelbar vor dem Bibliothekseingang auf der Südseite detonierte am 6. Februar 1945 während der Luftangriffe auf Gotha eine 250 Kilogramm schwere Bombe der amerikanischen Air Force. Die Bibliotheksobjekte trugen vergleichsweise geringe Schäden davon. Die 1902 eingesetzten eisernen Torflügel des Bibliothekseingangs wurden jedoch völlig zerstört. Bei Tiefbauarbeiten im Zuge der Sanierung des Ostturms 2021 fand man ein Fragment des Tors.
Eingangstor der Herzoglichen Bibliothek an der Südseite des Ostturms. Fotografie 1939. Stiftung Schloss Friedenstein, Bildsammlung 26219.