6. Unterwegs
Handschriften, die heute in der Bibliothek aufbewahrt werden, sind sehr oft weitgereist. So begleiteten die Stammbücher ihre Besitzenden ein Leben lang und erinnerten an Begegnungen mit berühmten oder befreundeten Menschen. Zahlreiche Bücher haben nicht nur eine lange, sondern auch „bewegte“ Geschichte hinter sich. Ihre „Biographie“ lässt sich im besten Falle anhand von Spuren in den Werken selbst, aber auch mit Hilfe von Briefen und anderen archivalischen Überlieferungen rekonstruieren.
Weitere Handschriften berichten über Reisen in ferne Länder oder ermöglichen solche durch die Beschreibung von geographischen Gegebenheiten und Verkehrsverbindungen. Bücher erzählen Geschichten über ihre Herkunft und ihren Weg in die Gothaer Bibliothek.
Die Einleitung zum Anhören
Auf der Bildungsreise dabei. Stammbücher
Auf der Bildungsreise dabei. Stammbücher
Stammbücher sind persönliche Erinnerungsbücher. Sie bezeugen Begegnungen von Studenten, Adligen und Gelehrten mit Zeitgenossen, die sich aus freundschaftlicher Zuneigung oder Gefälligkeit eingeschrieben haben. Zu den bedeutendsten Stücken der Gothaer Sammlung gehört das Stammbuch des Leipziger Pfarrers Sethus Calvisius. Er war der Sohn des gleichnamigen, berühmten Leipziger Thomaskantors. Diese Verwandtschaft spielte sicher eine Rolle für die Einträge prominenter mitteldeutscher Komponisten wie des Dresdener Hofkapellmeisters Heinrich Schütz. Schütz schrieb sich im März 1631 ein, als er im Gefolge des sächsischen Kurfürsten anlässlich des Fürstenkonvents in Leipzig war.
Stammbuch von Sethus Calvisius d.J. (1606–1663). Handschrift auf Papier. Forschungsbibliothek Gotha, Chart. B 1003, f. 116r.
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Reiseziel Jerusalem
Reiseziel Jerusalem
Das Stammbuch des jungen Leipziger Orientalisten und Theologen Johann Benedikt Carpzov II. füllte sich während seiner Studienzeit und Bildungsreise in Basel, Straßburg, Jena und Leipzig zwischen 1655 und 1659. Unter Carpzovs Kommilitonen an der Universität Jena war auch der Thüringer Adelige Gideon von Wangenheim. Seinen Stammbucheintrag für Carpzov vom 6. September 1656 illustrierte er auf Pergament mit dem Ort theologischer Sehnsucht: Das glückliche Reiseziel von Wangenheim und Carpzov, beide orientalisch gekleidet, ist das Heilige Land mit der Stadt Jerusalem.
Stammbuch von Johann Benedikt Carpzov II. Handschrift auf Papier mit Miniaturen auf Pergament. Forschungsbibliothek Gotha, Chart. B 1006, f. 170v–171r.
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Ein Reisebericht aus fernen Ländern
Ein „Atlas des Islams“ in Gotha – UNESCO-Weltdokumentenerbe
Ein „Atlas des Islams“ in Gotha – UNESCO-Weltdokumentenerbe
Das „Buch der Wege und Provinzen“ schrieb der bekannte islamische Gelehrte al-Iṣṭaḫrī im 10. Jahrhundert. Die Gothaer Handschrift ist die älteste erhaltene arabische Abschrift des Buches aus dem 12. Jahrhundert und UNESCO-Weltdokumentenerbe. Sie zeigt 21 Landkarten, die einen Atlas des Islams vom Mittelmeer und dem heutigen Marokko, über Ägypten, Syrien und den Irak bis nach Armenien bilden. Im Zentrum der Mittelmeerkarte sind die Inseln Sizilien, Kreta und Zypern als Kreise und die mythische Berginsel „Jabal al-Qilāl“ als Dreieck zu sehen. In den Ecken der Karte stehen in arabischer Sprache die Himmelsrichtungen, beginnend mit dem „Süden“ links oben im Uhrzeigersinn.
Abū Isḥāq Ibrāhīm b. Muḥammad al-Fārisī al-Karḫī al-Iṣṭaḫrī, Kitāb al-Aqālīm/Kitāb al-Masālik wa-'l-mamālik (Buch der Regionen/Buch der Wege und Provinzen). o.O., 1172/73. Forschungsbibliothek Gotha, Ms. orient. A 1521, f. 24r.
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Blutspuren?
Blutspuren?
Die arabische Handschrift ist Zeugnis der brutalen Kämpfe bei der Belagerung und Eroberung der Stadt Buda (Ofen) im Jahr 1686 während des Großen Türkenkriegs. Sie gehörte zur Stiftung des Scheichs Sulaimān Efendi und wurde in Buda zusammen mit anderen Handschriften erbeutet. Die Sammlung ist heute über Bibliotheken in Paris, Glasgow, Leipzig, Hamburg und Gotha verteilt. Das hier gezeigte Blatt zeugt in lateinischer Sprache davon, dass die Handschrift mit viel Blut bespritzt unter dem Leichnam des ermordeten Mufti hervorgezogen wurde. Dass es sich bei den Flecken an der Handschrift um Blut handelt, ließ sich jedoch durch Laboruntersuchungen nicht bestätigen.
Ibn Kamālpašazāda u.a., Kitāb aḥādīth arbaʿīn aḥādīth (Buch der Traditionen. Vierzig Traditionen). Sammelhandschrift mit Prophetentraditionen. o.O., 1642/43 (1052/53 AH). Forschungsbibliothek Gotha, Ms. orient. A 3, f. 1r.
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- Sulaimān Efendi