3. Flanieren. Studieren. Forschen
Die Gothaer Bibliothek war im 17. und 18. Jahrhundert wie andere fürstliche Bibliotheken ein Ort des Schauens, Flanierens und Kommunizierens. Da keine zeitgenössische bildliche Darstellung von ihr bekannt ist, greifen wir auf Reiseberichte, Besucherbücher und Abbildungen anderer Bibliotheken zurück. Dort sind durch die Räume flanierende, diskutierende und in Büchern blätternde Menschen sowie Hunde zu sehen, jedoch keine intensiv Lesenden. Dies war in der Bibliothek nicht vorgesehen, man konnte in Katalogen recherchieren und Bücher ausleihen. 1852 richtete die Bibliothek ihr erstes Lesezimmer ein. Hier konnten Zeitschriften und historische Literatur gelesen und studiert werden. Die Bibliothek folgte so internationalen Entwicklungen und dem Wunsch Gothaer Bürger. Das 19. Jahrhundert markiert den Beginn der modernen Bibliothek, die ihre Nutzer*innen zunehmend ins Zentrum ihrer Aktivitäten rückt.
Die Einleitung zum Anhören
Hunde in der Bibliothek?
Hunde in der Bibliothek?
Da zeitgenössische Abbildungen der Bibliothek fehlen, betrachten wir die Darstellung des Gothaer Herzoglichen Münzkabinetts von 1730. Es befand sich eine Etage unter der Bibliothek. Auf dem Kupferstich ist ein höfisch gekleidetes Paar mit Hund zu sehen. Auch auf dem Kupferstich der Wolfenbütteler Bibliothek und anderer Bibliotheken sind Hunde abgebildet. Sicherlich war dies ein Mittel der Bildkomposition. Allerdings soll ein Gothaer Bibliotheksdirektor des 18. Jahrhunderts Hunde verboten haben. Wurden sie also vorher in die Bibliothek mitgebracht? Die zeitgenössischen Benutzungsordnungen schlossen sie zumindest nicht aus.
Bernard Picart nach einer Vorlage des Gothaer Künstlers Johann David Schilbach. Kupferstich aus: Christian Sigismund Liebe, Gotha numaria. Amsterdam 1730. Forschungsbibliothek Gotha, H 2° 1101/1.
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Münzkabinett, Herzogliche Bibliothek Gotha, Bibliotheksnutzung, BenutzungsordnungRelevante und verbundene Orte
Flanieren und Diskutieren in der Bibliothek
Flanieren und Diskutieren in der Bibliothek
Da es von der Bibliothek keine zeitgenössische Abbildung gibt, müssen wir auf Darstellungen anderer Bibliotheken zurückgreifen. Der bekannte Stich von Matthäus Merian ermöglicht uns einen Blick in die berühmte Büchersammlung von Herzog August von Braunschweig-Wolfenbüttel. Auf ihr sind zahlreiche Männer zu sehen, die flanieren, über Bücher gebeugt sind oder vor Bücherregalen miteinander diskutieren. Keiner von ihnen liest intensiv in einem Buch. Tatsächlich waren fürstliche Bibliotheken wie die Wolfenbütteler und die Gothaer im 17. Jahrhundert keine Orte des Studierens, sondern des Schauens und Staunens.
Matthäus Merian, Topographia und eigentliche Beschreibung der […] Örter in denen Hertzogthümer Braunschweig und Lüneburg. Frankfurt 1654. Forschungsbibliothek Gotha, Geogr 4° 2306/1 (12).
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Büchersammlung, Bibliotheksbeschreibung, Bibliotheksnutzung, Herzogliche Bibliothek Gotha, Herzog August Bibliothek WolfenbüttelRelevante und verbundene Orte
Relevante und verbundene Personen
Geschichten vom Kommen und Gehen. Die Besucherbücher
Geschichten vom Kommen und Gehen. Die Besucherbücher
Seit 1779 führte die Bibliothek Fremdenbücher. Wissenschaftler und Schriftsteller auf der Suche nach unbekannten Werken, Besucherinnen auf Besichtigungstour durch Gotha, Prominente und Unbekannte trugen sich ein. Am 27. Oktober 1784 besuchten die Italiener Alessandro Volta und Antonio Scarpa die Bibliothek. Der Physiker Volta war bekannt für seine physikalischen Experimente und stand dazu mit dem Leiter des Gothaer Physikalischen Kabinetts im Austausch. Der Anatom Scarpa war ein weitbekannter Chirurg. Die Besucherbücher erzählen von der Weltoffenheit und internationalen Bedeutung der Bibliothek unter Herzog Ernst II.
Fremde, welche die herzogliche Bibliothek seit dem 30. Juli 1779 besucht haben. Handschriftlich geführtes Besucherbuch der Herzoglichen Bibliothek. Gotha 1779–1803. Forschungsbibliothek Gotha, Chart. B 1580, f. 9v–10r.
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Besucherbücher, Bibliotheksbesuche, BibliotheksnutzungRelevante und verbundene Orte
Relevante und verbundene Personen
Weiterführende Links
Lesen und Studieren in der Bibliothek in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Lesen und Studieren in der Bibliothek in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Auch wenn die Bibliothek Bücher entlieh, diente sie im 17. und 18. Jahrhundert vor allem der Repräsentation. 1852 erhielt sie, nun zum Herzoghaus Sachsen-Coburg und Gotha gehörend, ihr erstes Lesezimmer im Dachgeschoss. Es wurde kurz darauf wegen mangelnder Nutzung geschlossen und später erneut geöffnet. 1901 zog es eine Etage tiefer und galt als der schönste Raum der ganzen Bibliothek. Dies zeugt vom Funktionswandel der Bibliotheken hin zu zunehmend nutzungsorientierten Institutionen. Im 20. Jahrhundert befand sich der Lesesaal im ersten Obergeschoss des Ostflügels und kam somit den Lesenden weiter entgegen.
Karl Zink, Lesesaal im zweiten Stockwerk der Herzoglichen Bibliothek. Gotha 1909. Forschungsbibliothek Gotha, Goth 4° 25/9.
Unbekannter Fotograf, Lesesaal im 1. Obergeschoss des Ostflügels, 1938. Forschungsbibliothek Gotha, Brauner Kasten.