2. Inszenieren
Bibliotheken und Bücher gehörten zum Standard fürstlicher Repräsentation und (Selbst)inszenierung im 17. und 18. Jahrhundert. So etablierte das Gothaer Herzoghaus einen eindrucksvollen Bibliothekssaal, in dem die hohen Fenster, die weiß gestrichenen, goldverzierten Regale und hellen Gebrauchseinbände eine attraktive optische Einheit bildeten. Gelehrte warben mit ihren Veröffentlichungen für die Bibliothek. Die Herzöge und Herzoginnen ließen sich vor Bücherwänden oder mit Büchern in der Hand in Szene setzen. Sie besaßen Bücher, auf deren Einbänden sich ihre ernestinischen Vorfahren im Porträt verewigt hatten. Auch die bemerkenswerten persönlichen Büchersammlungen oder eigens für Repräsentationszwecke zusammengestellte Bücher mit kostbaren Einbänden zeigten das Gothaer Herzoghaus als Ort des Wissens, der Wissenschaften und der Sammellust.
Die Einleitung zum Anhören
Der Ostturm von Schloss Friedenstein um 1700
Der Ostturm von Schloss Friedenstein um 1700
Nachdem der Ostturm von Schloss Friedenstein ausgebrannt war, wurde er wiederaufgebaut. Die Bibliothek zog dort 1698 in den neueingerichteten Bibliothekssaal ein. Das Gemälde zeigt den Ostturm, nachdem dort 1697 die Herzogliche Bibliothek eingezogen war.
Unbekannter Künstler, Ansicht des Wallgartens vom neuen Lusthaus nach Süden mit dem Ostflügel und Ostturm des Schlosses Friedenstein, um 1710. Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, Inv. Nr. 0774.
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Bibliothekssaal, Herzogliche Bibliothek Gotha, Schloss Friedenstein GothaDer Bibliothekssaal im Ostturm von Schloss Friedenstein
Der Bibliothekssaal im Ostturm von Schloss Friedenstein
Nachdem der Ostturm ausgebrannt war, ließen die Herzöge Friedrich I. und Friedrich II. ihn wiedererrichten. 1698 zog die Bibliothek in den neuen Saal im zweiten Obergeschoss ein. Dort reichten die Bücher bis unter die fünf Meter hohe Decke. Durch einen umlaufenden Gang konnten Besuchende auch die oben aufgestellten Bücher betrachten. In seinem großangelegten Überblick über das Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg beschreibt der Historiker und Archivar Friedrich Rudolphi 1717 die repräsentativen Räume. Er war der Sohn des Bibliothekars Andreas Rudolff und kannte die Bibliothek aus eigener Anschauung.
Friedrich Rudolphi, Gotha diplomatica. Gotha 1717. Forschungsbibliothek Gotha, Hist. 2° 2313/3 (5)
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Bibliothekssaal, Herzogliche Bibliothek Gotha, Schloss Friedenstein GothaRelevante und verbundene Personen
Die auserlesene Büchermasse. Die Bibliotheca selecta
Die auserlesene Büchermasse. Die Bibliotheca selecta
In einem der Nebenräume des Bibliothekssaals wurden um 1700 dekorativ gebundene Bücher aufgestellt. Diese Sammlung entsprach den ausgeprägten Repräsentationsbedürfnissen Herzog Friedrichs I. und seines Sohnes, Herzog Friedrichs II. In den folgenden 100 Jahren fügten die Bibliothekare der Sammlung zahlreiche Prachteinbände hinzu. Die nur auf ästhetische Wirkung zielende auserlesene Büchermasse stieß im aufgeklärten 18. Jahrhundert auf Kritik. 1857 schließlich lösten die Bibliothekare sie auf und ordneten die 5.000 Bände in die Herzogliche Bibliothek ein.
Juan Azor, Institutionum moralium, Lugduni 1625 und andere Bände der ehemaligen Bibliotheca selecta. Rekonstruktion eines Bücherregals. Forschungsbibliothek Gotha, Theol 2° 323/2.
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Bibliothekssaal, Herzogliche Bibliothek Gotha, Schloss Friedenstein Gotha, RepräsentationRelevante und verbundene Personen
Fromm, gerecht und gebildet. Der Herzog vor der Bücherwand
Fromm, gerecht und gebildet. Der Herzog vor der Bücherwand
Herzog Friedrich II. ließ sich als einziger Gothaer Herzog vor einer Bücherwand inszenieren: Seine Büste steht im Mittelpunkt eines Kupferstichs, der hohe Bücherregale zeigt. Vor der Büste liegen Objekte, die den Zusammenhang zwischen Künsten und Wissenschaften verdeutlichen sollen. Auf dem Sockel der Büste wird der Herzog fromm, gerecht und gebildet genannt. Die Frömmigkeit steht an erster Stelle. Denn Friedrich II. verstand sein Herzoghaus als Verteidiger des lutherischen Glaubens und als Förderer der protestantischen Kirche. Der Kupferstich ist zudem Teil eines von Friedrich II. geförderten Werks zum 200. Reformationsjubiläum 1717.
Ernst Salomon Cyprian, Hilaria Evangelica. Gotha 1719. Forschungsbibliothek Gotha, Th 4° 3085, Bericht, S. a2r.
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Bibliothekssaal, Herzogliche Bibliothek Gotha, Schloss Friedenstein Gotha, Repräsentation, ProtestantismusRelevante und verbundene Orte
Relevante und verbundene Personen
Inszenierung mit Büchern. Die lesende Herzogin
Inszenierung mit Büchern. Die lesende Herzogin
Das Gemälde zeigt Herzogin Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg aufmerksam und selbstbewusst in drei Büchern gleichzeitig lesend. Vermutlich steht das Porträt im Zusammenhang mit den in den 1740er Jahren erschienenen Kunstwerken, welche die Herzogin als Symbolfigur einer religionsübergreifenden europäischen Friedensordnung aufbauen wollten. Zugleich festigte die Inszenierung ihren Ruf als aufgeklärteste Fürstin des Jahrhunderts. Sie entsprach ihrem Selbstverständnis und bezeugte ihr politisch-literarisches Informationsbedürfnis als Unterstützerin ihres Gemahls Herzog Friedrich III.
Georg Andreas Wolffgang d. J. (?), Herzogin Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg. Gemälde, um 1742/1745. Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, Inv. Nr. 1502/Mi 76.
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Aufklärung, BücherrezeptionRelevante und verbundene Personen
Die Ernestiner auf Bucheinbänden
Die Ernestiner auf Bucheinbänden
Die ernestinischen Vorfahren des Gothaer Herzoghauses nutzten Bucheinbände als Medien der Selbstinszenierung. Davon zeugen ihre Porträts auf Büchern des 16. Jahrhunderts, die in den 1670er Jahren nach Gotha kamen. Auf dem Einband aus Kalbsleder, der von dem Jenaer Buchbinder Johannes Weischner gefertigt wurde, ist Herzogin Dorothea Susanna, eine geborene Pfalzgräfin zu sehen. Sie heiratete 1560 einen Ernestiner. Über ihrem goldgeprägten Porträt sind die Initialen V G G D S G P B R H Z S lesbar. Sie werden unter ihrem Porträt aufgelöst: VON GOTTES GNADEN DOROTHEA SVSANNA GEBORNE PFALTZGREFIN BEI RHEIN HERTZOGIN ZV SACHSEN.
Ludwig Rabe, Historien. Der Heyligen Außerwölten Gottes Zeügen, Bekennern, vnd Martyrern […], Tl. 2. Straßburg 1558. Forschungsbibliothek Gotha, Theol 4° 284/1 (2).