Schreibtisch | forschen
Im Laufe des 19. Jahrhunderts etablierte sich die Ozeanographie als akademisches Wissensfeld mit eigenen Institutionen und Methoden. Ihr wichtigstes Medium war die Kartographie: Karten konturierten die Meere als Objekte von Erkenntnis, visualisierten Messdaten und stellten Wissen über die Meere in komplexer grafischer Form dar. Nicht zuletzt versprachen sie, das so erzeugte Wissen der Seefahrt zur Verfügung zu stellen.
Coast of Peru (Potsdam, 1839/1840)
Coast of Peru (Potsdam, 1839/1840)
Vom Hafen Callao aus bestimmte Alexander von Humboldt (1769–1859) 1802 an den Bewegungen des Merkur vor der Sonne (Merkurtransit) den exakten Längengrad von Lima. Für die Vermessung der Westküste Südamerikas war dies ein zentraler Wert und so widmete Heinrich Berghaus (1797–1884) diesem Ergebnis eine Spezialkarte der Küste Perus. Am Schreibtisch seiner Kartographischen Kunstschule in Potsdam stellte er mit den vorliegenden Vermessungs- und Navigationsdaten eine Karte für diesen Küstenabschnitt her, die heute als frühes Zeugnis der wissenschaftlichen Meeresforschung gilt.
Maße: 655x500mm
DSM | Leibniz-Institut für Maritime Geschichte, Bremerhaven, Signatur: I 4 IV 11
Relevante und verbundene Personen
Method Shewing the Track of Ground Searched by H.M.S. Sulphur (London 1843)
Method Shewing the Track of Ground Searched by H.M.S. Sulphur (London 1843)
Seit dem späten 18. Jahrhundert ließ die britische Admiralität einen Großteil der weltweiten Küsten und Inseln systematisch erfassen. Diese Karte dokumentiert die Bewegungen, mit denen die Vermessungsschiffe H.M.S. Sulphur und H.M.S. Starling 1837 die infrage stehenden Gefahrenstellen im Gebiet der Revillagigedo-Inseln (Ostpazifik) präzise lokalisierten. Die Karte legt die Methode der Datenerhebung offen und betont sowohl den wissenschaftlichen Anspruch des eigenen Vorgehens als auch den damit verbundenen Aufwand.
Maße: 230x450mm
Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, SPK 547$112301088
Relevante und verbundene Orte
Pilot Chart of the South Atlantic, No 1 Series C (Washington D.C., 1853)
Pilot Chart of the South Atlantic, No 1 Series C (Washington D.C., 1853)
Ab Mitte der 1840er Jahre erarbeitete der US-amerikanische Marineoffizier Matthew Fontaine Maury eine Serie von Wind- und Strömungskarten. Als Grundlage verwendete er Informationen aus hunderten Logbüchern und aktuelle Beobachtungen von Seeleuten. Diese »Pilot Chart« (etwa: »Lotsenkarte«) weist die für jeden Monat zu erwartenden Winde im Südwestatlantik aus und soll es ermöglichen, die voraussichtlich schnellste Route festzulegen.
Maße: 930x600mm
Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, SPK 547$112295835
Relevante und verbundene Personen
Maurij’s Passaat-Kaart van den Atlantischen Oceaan (Utrecht, 1856)
Maurij’s Passaat-Kaart van den Atlantischen Oceaan (Utrecht, 1856)
Aufgrund ihrer starken Abstrahierung von der Gestalt der Erdoberfläche lässt sich diese Karte erst auf den zweiten Blick als eine solche erkennen. Sie zeigt einen entscheidenden Parameter für den Schiffsverkehr im Atlantik, nämlich die dortigen Windgürtel. Um die jahreszeitlichen Verschiebungen der einzelnen Zonen zu ermitteln, hat Matthew Fontaine Maury, Meeresforscher im Dienste der US Navy, Eintragungen aus zahlreichen Logbüchern zusammengeführt. Zum Verständnis des komplexen Kartenbilds mit seinen mehrfach parallelisierten Breitengraden und der zwischen den Längengraden eingearbeiteten jahreszeitlichen Dimension fügte er eine Gebrauchsanleitung bei. In dieser niederländischen Ausführung von Maurys Vorlage kürzte der Marineoffizier Karel F. R. Andrau die Anleitung auf ein Minimum und nutzte den so freigewordenen Platz für eine zusätzliche Nebenkarte, die die saisonalen Verlagerungen des atlantischen Windsystems verdeutlicht.
Maße: 660x900mm
Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, 547$112305261
Karte der Arktischen & Antarktischen Regionen zur Übersicht des geographischen Standpunktes (1865)
Karte der Arktischen & Antarktischen Regionen zur Übersicht des geographischen Standpunktes (1865)
August Petermann hielt an seiner Hypothese eines eisfreien Nordpols fest – trotz kritischer Stimmen sowohl derer, die auf Expeditionen dorthin gelangt waren, als auch jener, die vom Schreibtisch aus auf eine Revision dieser Auffassung drangen. Auf die Kritik reagierte Petermann mit dieser »Karte der Arktischen & Antarktischen Regionen...«, die begleitet von zwei Artikeln in Petermanns Geographischen Mitteilungen erschien. Mit der Karte als visuellem Rüstzeug betonte er die Wichtigkeit einer Erforschung der Arktis und sprach sich tief überzeugt für ein schiffbares Meer und lediglich stationäre Eismassen aus. Diese These stützte er mit einem Hinweis auf die fünf Nebenkarten, die das Gebiet der Antarktis zur Darstellung bringen, aber ebenso auf den Arktischen Ozean übertragbar seien – es werde deutlich, dass einige Schiffe ebenso auf undurchdringliches Eis stießen, wie andere es nicht taten; feste Eisbarrieren seien demnach auszuschließen. Eine »Lustfahrt«, wie Petermann sie imaginierte, ist eine Nordpolexpedition nach wie vor nicht, ihr Wert für die Wissenschaft ist jedoch unumstritten.
Maße: 350x650mm
Petermann, August (1865): Karte der Arktischen & Antarktischen Regionen zur Übersicht des geographischen Standpunktes im J. 1865. 1:60.000.000, Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, SPA 4° 00100 (011)
Relevante und verbundene Personen
Die durch das Erdbeben in Peru am 13. August 1868 erzeugte Erdbeben-Fluth im Pazifischen Ocean am 13.– 16. August 1868 (ca. 1869)
Die durch das Erdbeben in Peru am 13. August 1868 erzeugte Erdbeben-Fluth im Pazifischen Ocean am 13.– 16. August 1868 (ca. 1869)
Diese Karte von Ferdinand von Hochstetter (1829–1884) zeigt die Ausbreitung von Flutwellen im Pazifischen Ozean, ausgelöst durch ein Erdbeben in Peru. Von Hochstetter wertete dazu eine Fülle von Berichten aus dem gesamten Westpazifik aus, um so den Zusammenhang zwischen dem Erdbeben vom August 1868 und den nachfolgenden Flutwellen im Pazifik anschaulich zu machen. Folglich ist die Karte ein frühes wissenschaftliches Zeugnis über die Entstehung von Tsunamis.
Maße: 250x300mm
Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, SPK 547$112301118
Relevante und verbundene Personen
Originalkarte der I. Deutschen Nordpolar-Expedition 1868 (1871)
Originalkarte der I. Deutschen Nordpolar-Expedition 1868 (1871)
Auf Initiative von August Petermann brach 1868 eine Expedition an die Ostküste Grönlands auf, um Informationen über die Eisverhältnisse zwischen Grönland und Spitzbergen zusammenzutragen. Ein weiteres Ziel bestand im Auffinden eines schiffbaren Wegs zum (nach Petermanns Überzeugung eisfreien) Nordpol. Das Unterfangen scheiterte an starken Eisbarrieren, brachte aber nichtsdestotrotz bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse hervor. Die »Originalkarte der I. deutschen Nordpolar-Expedition« ist ein papierenes Ergebnis dieser Bemühungen. Sie verzeichnet – »[n]ach dem Tagebuche K. Koldewey’s«, des Kapitäns – die Expeditionsroute und unterscheidet dabei aus Gründen der Übersichtlichkeit den Kurs im Monatsverlauf mithilfe unterschiedlicher Linien und Farben. Die eingezeichneten Packeisbarrieren berichten von den Grenzen, an die die Forschenden stießen, veranlassten Petermann jedoch nicht dazu, seine Hypothese vom eisfreien Nordpol zu verwerfen.
Maße: 510×380mm
August Petermann, Originalkarte der I. Deutschen Nordpolar-Expedition 1868, Mittheilungen aus Justus Perthes‘ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie Ergänzungsheft 28 (1871), Tafel 1, Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, SPK_547-111820197.
Relevante und verbundene Personen
Curs des Schiffes »Tegetthoff« 1872–1873 (Wien?, 1874)
Curs des Schiffes »Tegetthoff« 1872–1873 (Wien?, 1874)
Die Österreichisch-Ungarische Nordpolexpedition unter der Leitung von Carl Weyprecht (1838–1881) und Julius Payer (1841–1915) verließ im Juni 1872 den norwegischen Hafen Tromsö mit Kurs auf die Barentssee. Schon am 24. August fror der eisgängige Segler Admiral Tegethoff auf einer Scholle nördlich von Nowaja Semlja fest und trieb mit dieser in ein bis dato unbekanntes Gebiet der Arktis. Unablässig stellte die in dauernder Gefahr schwebende Mannschaft Beobachtungen und Messungen in ihrer unmittelbaren Umgebung an. Die Karte zeichnet die Drift des Expeditionsschiffes und verschiedene Messdaten auf.
Maße: 430x400mm
Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, SPK 547$111819490
Relevante und verbundene Personen
Heringsfischerei, Karte aus: The Piscatorial Atlas of the North Sea, English and St. George’s Channels (London 1883)
Heringsfischerei, Karte aus: The Piscatorial Atlas of the North Sea, English and St. George’s Channels (London 1883)
Die Karte zeigt die Laich- und Wandergebiete sowie die Fanggründe von Heringen in der Nordsee. Entworfen hat sie der Norweger Ole Theodor Olsen (1838–1925), der Jahrzehnte in britischen Diensten auf See verbracht hatte. Sie erschien neben 49 weiteren Farbdrucken (Chromolithographien) im »Piscatorial Atlas«, welcher das Vorkommen von Speisefischen und Krustentieren visualisierte. Eine Farblegende sowie zwei kleine Zeichnungen – ein schottischer Heringslogger und ein Hering – runden das Kartenbild ab.
Maße: 555x450mm
Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, SPN lg2° 00015
Seeströmungen, Wärme und Treibfrachten der See (Gotha 1889)
Seeströmungen, Wärme und Treibfrachten der See (Gotha 1889)
Diese Karte erschien in der Neuauflage von »Berghaus' Physikalischem Atlas«. Sie verzeichnet die Faktoren, die am Strömungssystem der Weltmeere beteiligt sind: Luftdruck, Wind und vertikale Wärmeschichten. Kartiert sind diese beispielhaft anhand der Drift von Treibgut wie Holz, Seegras und Eis. Noch fehlt das Plastik als eines der eindrücklichsten Zeichen der Meeresverschmutzung seit dem 20. Jahrhundert. Meteorologie und Hydrologie erscheinen grundlegend für die Erforschung der Meere.
Maße: 320x400mm
Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, SPA 2° 000137 (021)
Relevante und verbundene Personen
Die Oberfläche des Blattes, auf dem die Meerestiefen eingezeichnet waren, schimmerte im Licht einer Blendlaterne, glatt und gleichmäßig wie der glitzernde Spiegel der See.
Joseph Conrad, Lord Jim, 1899/1900.
Bathymetrical Chart of the Oceans: Showing the »Deeps« According to Sir John Murray (Edinburgh, 1899)
Bathymetrical Chart of the Oceans: Showing the »Deeps« According to Sir John Murray (Edinburgh, 1899)
Im Laufe von 20 Jahren der Auswertung veröffentlichte Sir John Murray den 50-bändigen und als Meilenstein der modernen Ozeanographie geltenden Report der Challenger-Expedition (1872–1876). Die auf seinen Tiefenmessungen basierende »Bathymetrical Chart of the Oceans« ist das Ergebnis der circa 130.000 Kilometer, die das Forschungsschiff zurücklegte. Eine Besonderheit der Karte besteht darin, dass sie Australien und einen Teil Asiens sowie den Indischen Ozean und einen Teil des Pazifiks verdoppelt und auf diese Weise die Kontinente als auch die Meere am Stück zu zeigen vermag. Die einzigen schriftlichen Benennungen sind den tiefsten Tiefen vorbehalten – Informationen, die etwa bei der Verlegung von unterseeischen Telegraphenkabeln von großem Nutzen waren, jedoch auf indirekten Messmethoden basierten. Laut Murray sei man dabei »almost wholly dependent on the correct working of instruments, the action of which at the critical moment is hidden from sight« (Sir John Murray: Oceanography, in: The Geographical Journal, 1899, S. 426-441). Deutlich wird hier, dass es sich um eine Umgebung handelt, die trotz technischer Errungenschaften für den Menschen weitestgehend unzugänglich bleibt.
Maße: 300x500mm
Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, 547$111536855