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Hafen | regulieren

Als Portale der Globalisierung sollten Häfen eine Gesellschaft an den von ihr erwünschten Effekten des maritimen »Weltverkehrs« teilhaben lassen und gegenüber unerwünschten Effekten abschotten. Im 19. Jahrhundert bildete sich ein Bewusstsein auch darüber heraus, dass die entstehende »Kette des Menschenverkehrs um die Erde« (August Petermann) nicht nur Gentle(wo)men, sondern auch Verbrecher, nicht nur Medikamente, sondern auch Seuchen, nicht nur christliche Schriften, sondern auch Pornographie beförderte. Und so erzählen Karten, die Häfen großmaßstäbig im Detail oder kleinmaßstäbig in Verbindung mit dem Meer zeigen, oft auch vom Bestreben, Globalisierung zu regulieren.
 

Port Napoleón (1806)

Die Karte des französischen Kartographen Adrien-Hubert Brué (1786–1832) zeigt die räumliche Ordnung von Port Louis im Jahr 1806.

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Die Darstellung des französischen Kartographen Adrien-Hubert Brué (1786–1832) zeigt die räumliche Ordnung von Port Louis im Jahr 1806 (als die Stadt kurzzeitig Port Napoleón hieß). Die französische Kolonialadministration von Mauritius unterteilte die Hafenstadt um 1800 in sechs Bezirke, abgegrenzt nach ethnischen Kriterien und Klassenzugehörigkeiten. An das Hafenbecken schloss der Innenstadtbezirk Ville Blanche an, der wohlhabenden Bewohnerinnen und Bewohnern europäischer Herkunft vorbehalten blieb. Um zu verhindern, dass Arbeiter afrikanischer oder asiatischer Herkunft auf einem Schiff von der Insel flohen, durften sie sich nur unter Aufsicht für bestimmte Tätigkeiten am Hafen aufhalten. Ein eintreffendes Schiff musste zunächst in einem Reedebereich (Canal) eine Inspektion durch den Hafenarzt abwarten, bevor es im inneren Hafenbecken anlegen durfte. Stellte der Arzt Verdachtsmomente auf ansteckende Krankheiten fest, wurde das Schiff für mehrere Wochen im Quarantänebecken isoliert. Der Hafen erweist sich als Ort sozial- und gesundheitspolitischer Regulierungen.


Jacques G. Milbert. Voyage Pittoresque a l’Île de France, au Cap De Bonne Espérance et à l’Île de Ténériffe. Paris: Nepveu, 1812.

Digitised by The British Library

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Cholera Map of the British Isles (1848) | Dracula (1897)

Bram Stoker übersetzt in eine literarische – und hochgradig xenophobe – Phantasie, was der Kartograph August Petermann erstmals 1848 in seiner Cholera Map of the British Isles drastisch vor Augen geführt hat.

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Ein geheimnisvolles Schiff strandet vor dem Hafen von Whitby an der britischen Nordseeküste. An Bord keine lebende Seele, auch der Steuermann steht tot am Rad, seine Hände an dessen Speichen festgezurrt. Einzig ein Hund scheint das namenlose Grauen, das das Schiff überfallen hat, überlebt zu haben. Doch er entkommt, bevor noch die Beamten der Hafenbehörden das Schiff erreicht haben. Bram Stokers 1897 erschienener Roman Dracula erzählt von einem kaum zu kontrollierenden Anderen, das vom Schiff in das Land eindringt. Denn was als Hund erschien, ist der Vampir, das personifizierte Fremde. Auf seinem Weg nach London wird er eine Spur von Opfern hinterlassen.
Stoker übersetzt in eine literarische – und hochgradig xenophobe – Phantasie, was der Kartograph August Petermann erstmals 1848 in seiner Cholera Map of the British Isles showing the Districts attacked in 1831, 1832, 1833 drastisch vor Augen geführt hat. In der Visualisierung statistischer Daten wird sichtbar, dass sich die Epidemie, der Anfang der 1830er Jahre mehr als 50.000 Menschen zum Opfer fielen, von den Hafenstädten aus in das Landesinnere vorgearbeitet hat. Dass in den Häfen des Empires nicht nur Ströme von Waren, Nachrichten und Menschen ins Land fließen, ist seitdem zu einer beunruhigenden Erkenntnis geworden, die sich zur Angst vor globalen Pandemien ebenso hochzuschaukeln vermag wie vor Migrant:innen.


August Petermann, Cholera Map of the British Isles Showing the Districts Attacked in 1831, 1832, 1833, London 1848, Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, SPK 547-112085954.
Frontispiz aus: Stoker, Bram, Dracula, New York: Modern Library, 1897.
Auszug aus: Stoker, Bram, Dracula. Ein Vampyr-Roman. Übersetzt von Heinz Widtmann, Berlin: S. Fischer Verlag, 2010, S. 105-109.

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View of the City of New Bedford, Mass. (1876)

Auf diesem Vogelschauplan präsentierte der Künstler Oakley H. Bailey eine Hafenstadt im Umbruch, gekennzeichnet durch die Gleichzeitigkeit von Segel- und Dampfschiffen, von alten Walfangpiers und neuen Fabrikanlagen.
 

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New Bedford, an der Südküste von Massachusetts gelegenen, avancierte ab den 1820er Jahren zum Haupthafen des amerikanischen Walfangs und zur reichsten Stadt der Vereinigten Staaten. Als der Amerikanische Bürgerkrieg und der Beginn der modernen Erdölförderung in den 1860er Jahren einen allmählichen Niedergang des Walfangs einleiteten, verlagerten sich die örtlichen Investitionen auf die wachsende Textilindustrie. Auf diesem Vogelschauplan präsentierte der amerikanische Künstler Oakley H. Bailey 1876 eine Hafenstadt im Umbruch, gekennzeichnet durch die Gleichzeitigkeit von Segel- und Dampfschiffen, von alten Walfangpiers und neuen Fabrikanlagen. Die auffällige Vielfalt von Kirchengemeinden – verteilt auf 26 Kirchen für rund 27.000 Einwohnerinnen und Einwohner – verweist auf die transatlantische Migration nach New Bedford, unter anderem von den Kapverden, von den Azoren und aus Irland. Eine sozialregulative Funktion kam dem christlichen Seemannsheim mit der angeschlossenen überkonfessionellen Kirche zu (Gebäude Nr. 8), das Seeleute von Bordellen, Saloons und Tanzlokalen fernhalten sollte.

Maße: 480x840mm (Karte) / 610x910mm (Blatt)


Map reproduction courtesy of the Norman B. Leventhal Map & Education Center at the Boston Public Library, ID: 06_01_001839

Häfen mit Zeitsignalen (1894)

Häfen boten einem Schiff durch Signale wie Zeitbälle, Zeitkanonen oder Zeitklappen die Gelegenheit, nach langer Zeit auf See die Chronometer mit der an Land gemessenen Zeit zu synchronisieren.

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Wer eine Fernreise per Schiff unternahm, kam häufig mit verschiedenen Zeitordnungen in Berührung: mit dem gregorianischen und dem islamischen Kalender, mit europäischen und afrikanischen Zeitauffassungen oder etwa mit dem Prinzip des »nautischen Tags«, das den Alltag an Bord strukturierte. Ab 1884 bildete der Nullmeridian, festgelegt auf der Internationalen Meridian-Konferenz in Washington, D.C., die Bezugsgröße für eine einheitliche »Weltzeit«, die unter anderem der Linienschifffahrt die Verkehrsplanung erleichterte. Häfen boten einem Schiff durch Signale wie Zeitbälle, Zeitkanonen oder Zeitklappen die Gelegenheit, nach langer Zeit auf See die Chronometer mit der an Land gemessenen Zeit zu synchronisieren. Gerade in kolonialen Häfen ließ sich neben der Standardisierung von Zeit auch eine Politisierung von Zeit beobachten, wenn etwa Kolonialadministrationen neue Arbeitszeitmodelle zu implementieren suchten.


Hermann Habenicht. Justus Perthes' See-Atlas: Eine Ergänzung zu Justus Perthes' Taschen-Atlas. Gotha 1894. S. 41. Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt SPA 8° 01414.

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Östliches Mittelmeer: Alexandria (1894)

Auf der Karte des östlichen Mittelmeeres im »See-Atlas« sind vier detaillierte Nebenkarten von Häfen angeordnet. Besonders aufschlussreich hinsichtlich der regulierenden und ordnenden Funktionen von Häfen ist die Karte zu Alexandria.

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Auf der Karte des östlichen Mittelmeeres im »See-Atlas« sind vier detaillierte Nebenkarten von Häfen angeordnet. Besonders aufschlussreich hinsichtlich der regulierenden und ordnenden Funktionen von Häfen ist die Karte zu Alexandria: Die Einteilung in einen »Außen«- und »Innenhafen« legt Zuständigkeiten und die Bewegungsspielräume von Schiffen fest, ein von Leuchttürmen eingefasster »Grosser Wellenbrecher« hält – bedingt – das Meer fern, leuchtet es aus, stellt es bloß, lässt es buchstäblich auflaufen. Es drückt sich darin das Bestreben aus, an Land etablierte Ordnungsprinzipien auch auf den seeseitigen Hafenraum zu übertragen, ihn der vermeintlichen Unverbindlichkeit des Meeres abspenstig zu machen und seine Zugehörigkeit zu Meer und Land zugunsten des letzteren zu vereindeutigen. Weiterhin verzeichnet die Karte einen Güterbahnhof und mehrere Forts und verweist damit sowohl auf die Organisation von Warenströmen als auch auf militärische Infrastrukturen. Eine »Ehem.« und eine »Neue Quarantaine« berichten außerdem von der Abtrennung von Infizierten und Gesunden.


Hermann Habenicht. Justus Perthes' See-Atlas: Eine Ergänzung zu Justus Perthes' Taschen-Atlas. Gotha 1894. Karte 16. Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt SPA 8° 01414.

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Die Vernichtung des »Pathfinder« durch »U21« (5.IX.1914)

Im Oktober 1914 wurde der britische Aufklärungskreuzer vor dem Hafen Edinburghs von einem Torpedo eines deutschen U-Bootes getroffen und versenkt.

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Die deutsche Karte aus dem Jahr 1914 zeigt in roter Farbe alle Verteidigungselemente rund um die Mündung des Flusses Forth vor den Toren Edinburghs. Eingezeichnet sind Reichweiten von stehenden Geschützen und sogenannte Sicherungslinien, weiterhin die zum betreffenden Datum bekannten Standorte und Routen britischer Kriegsschiffe, die die schottische Hauptstadt schützen sollten. Namensgebend und zentral für die Karte sind die in blaue Farbe getauchten Bewegungen zweier deutscher U-Boote, die im Oktober 1914 den leichten Aufklärungskreuzer HMS Pathfinder ins Visier nahmen. Aufgrund der mutmaßlich geringen Geschwindigkeit des feindlichen Schiffes war es dem deutschen U21 möglich, den Kreuzer mit einem Torpedo während der Fahrt auf See zu treffen und zu versenken. So erlangte die Pathfinder die traurige Bekanntheit, das erste jemals in Fahrt versenkte Schiff gewesen zu sein. Wenngleich die Bedeutung des Angriffes für den Verlauf des Krieges als gering eingeschätzt werden kann, sollte durch die Publikation dieser Karte die Stärke der deutschen Flotte untermalt werden bis hin zur Botschaft, die Verteidigungslinien des Feindes rund um die Stadt Edinburgh gut zu kennen.

Maße: 225x400mm


DSM | Leibniz-Institut für Maritime Geschichte, Bremerhaven, Signatur: I 2 VII 065

Ilha do Sal, Sondagens no Porto de Pedra-Lume (1923)

Auf der kapverdischen Wüsteninsel Sal ließ der »Salzbaron« Manuel António Martins ab den 1820er Jahren durch Sklaven einen Tunnel zum Krater des Vulkans Pedra de Lume graben.

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Auf der kapverdischen Wüsteninsel Sal ließ der »Salzbaron« Manuel António Martins ab den 1820er Jahren durch Sklaven einen Tunnel zum Krater des Vulkans Pedra de Lume graben, an dessen Boden sich viele Millionen Tonnen Salz aus verdunstetem Meerwasser abgelagert hatten. Vom Tunnel transportierten segelbetriebene Loren das Salz auf Gleisen an einen kleinen Hafen – hier dargestellt auf einer Seekarte der portugiesischen Kolonialadminstration von 1923 –, von wo es auf Schiffen nach Argentinien, Brasilien und Westafrika gelangte. Seit dem Niedergang des Salzhandels ab den 1960er Jahren nutzen nur noch wenige Fischerboote die Anlegestelle. Heute bezeugen dort versandete Ruinen, dass Globalisierung nicht nur das Entstehen, sondern auch das Abreißen von Verbindungen beinhaltet.


Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, SPK 547$112322387

Hafen von Plymouth (1940)

Plymouth wurde aufgrund der geographischen Lage zu einer bedeutenden Hafenstadt für die britische Royal Navy.

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Aufgrund der strategisch günstigen Lage am westlichen Ende des Ärmelkanals wurde die Stadt Plymouth bereits im 17. Jahrhundert als wichtiger Hafen für die britische Royal Navy eingesetzt. Im Stadtteil Devonport entstand ein Marinestützpunkt mit Werft, der so viele Arbeitsplätze generierte und Arbeiter mit Familien anlockte, dass die Siedlung 1824 als eigenständig anerkannt wurde. Die Bedeutung der Städte lässt sich mit der fortlaufenden Befestigung durch Erdwälle und Gräben, vor allem aber durch die Errichtung eines Fortgürtels sowie der künstlichen Aufschüttung eines Wellenbrechers erkennen, wie er auf der großmaßstäbigen Karte erkennbar ist. Sie wurde vom Oberkommando der Kriegsmarine mit regelmäßigen Berichtigungen herausgegeben, um die Veränderungen im und am Hafen des Kriegsgegners festzustellen. In den Weltkriegen waren in Plymouth bis zu 300 Kriegsschiffe stationiert, sodass der Hafen bei der Operation Overlord eine tragende Rolle spielte. In den 1960er Jahren wurde die Militärbasis erheblich verkleinert und teilweise nach Portsmouth verlagert, sodass der Stadt Plymouth neben dem Verlust der Bedeutung tausende Arbeitsplätze wegfielen.

Maße: 1035x725mm


DSM | Leibniz-Institut für Maritime Geschichte, Bremerhaven, Signatur: I 3 VII 4 (III 92-347)

Eine Klangerzählung mit Auszügen aus Texten von Herman Melville, August Petermann, Carl Koldewey, Arthur Breusing und Jules Verne.

»Seekartographie und Polarforschung« | Klangerzählung