9. Die „Hilaria evangelica“
Absicht und Wirkung
Die „Hilaria evangelica“ sind ein monumentales Werk. Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg und Ernst Salomon Cyprian wollten damit die europäischen Feierlichkeiten zum 200. Jubiläum der Reformation für die Nachwelt festhalten. Ein genauerer Blick in den großformatigen, dickleibigen Band zeigt jedoch, dass in einigen Ländern wie England, Polen, Österreich und Ungarn nur einige wenige Gemeinden das Jubiläum festlich begingen. Das Wort „evangelica“ im Titel des Buches täuscht darüber hinweg, dass fast ausschließlich Lutheraner und kaum Reformierte oder Pietisten feierten.
Von der Veröffentlichung in den „Hilaria evangelica“ ausgeschlossen waren polemische Schriften und Predigten. Der Gothaer Hof hielt sich somit an die im Vorfeld des Jubiläums auf dem Regensburger Reichstag verabschiedeten Zensurbestimmungen.
Als Vorbild für die Gestaltung künftiger Reformationsjubiläen entfaltete das Werk keine Wirkung. Die tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen des 18. und''
Die „Hilaria evangelica“ sind ein monumentales Werk. Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg und Ernst Salomon Cyprian wollten damit die europäischen Feierlichkeiten zum 200. Jubiläum der Reformation für die Nachwelt festhalten. Ein genauerer Blick in den großformatigen, dickleibigen Band zeigt jedoch, dass in einigen Ländern wie England, Polen, Österreich und Ungarn nur einige wenige Gemeinden das Jubiläum festlich begingen. Das Wort „evangelica“ im Titel des Buches täuscht darüber hinweg, dass fast ausschließlich Lutheraner und kaum Reformierte oder Pietisten feierten.
Von der Veröffentlichung in den „Hilaria evangelica“ ausgeschlossen waren polemische Schriften und Predigten. Der Gothaer Hof hielt sich somit an die im Vorfeld des Jubiläums auf dem Regensburger Reichstag verabschiedeten Zensurbestimmungen.
Als Vorbild für die Gestaltung künftiger Reformationsjubiläen entfaltete das Werk keine Wirkung. Die tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts ließen zum 300. Jubiläum der Reformation im Jahr 1817 keine historische und zukunftsorientierte Deutung der Reformation zu, wie sie noch 1717 in den lutherischen Kreisen möglich war.
Die „Hilaria evangelica“ gerieten in Vergessenheit. Heute gelten sie in ihrer gedruckten und handschriftlichen Form als reichste Quellensammlung zum Reformationsjubiläum von 1717 in Europa.
Autor: Daniel Gehrt
Bibliographische Angabe:
Harm Cordes: Ernst Salomon Cyprian als Chronist des Reformationsjubiläums von 1717, in: Klaus Tanner (Hrsg.): Konstruktion von Geschichte. Jubelrede – Predigt – protestantische Historiographie, Leipzig 2012, S. 89–103, hier S. 95–103.
Die Einführung zum Anhören
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Wer feierte 1717? Alle Lutheraner*innen?
Veronika Albrecht-Birkner und Udo Sträter präsentieren ein differenziertes Bild in ihrem Beitrag
„Ambivalente ‚pietistische‘ Haltungen zum Reformationsjubiläum 1717“.
Die „Hilaria evangelica“ inszenieren eine gemeinsame europäische Jubelfeier
Die „Hilaria evangelica“ inszenieren eine gemeinsame europäische Jubelfeier
Der Gothaer Hof wollte durch die Veröffentlichung der „Hilaria evangelica“ das zu Beginn des 18. Jahrhunderts in seiner Existenz bedrängte Luthertum in Europa durch ein überhöhtes Bild der Geschlossenheit und der Größe der Feierlichkeiten 1717 stärken. Ein genauer Blick auf die Karte der an den Feierlichkeiten tatsächlich beteiligten Orte und Gemeinden innerhalb und außerhalb des Alten Reichs und des Königreichs Dänemark-Norwegen, die in den „Hilaria“ genannt werden, zeigt die wirklich Beteiligten.
Schlagworte
Luthertum, Karte, Gothaer HofWeiterführende Links
Link zur Karte der Orte
- an denen das Reformationsjubiläum laut Angaben in der gedruckten und handschriftlichen Überlieferung der „Hilaria evangelica“ gefeiert wurde.
Die „Hilaria evangelica“ ohne polemische Äußerungen gegen die katholische Kirche
Die „Hilaria evangelica“ ohne polemische Äußerungen gegen die katholische Kirche
Gemäß den Zensurbestimmungen schloss Cyprian konfessionell motivierte Diffamierungen aus der gedruckten Fassung der „Hilaria“ aus. Sie sind nur in der handschriftlichen Materialsammlung überliefert. So zeigt die Federzeichnung eines Bildes, das die norddeutsche Kirche in Krempe zierte, Luther, der über die römische Kirche triumphiert. Unterhalb Luthers ist eine allegorische Figur der Johannesoffenbarung zu sehen. Sie wird entsprechend der Vorlage von Lucas Cranach in der Lutherbibel von 1534 mit Papstkrone dargestellt. Die Überschrift lautet: „Die Babylonische Hure“, wobei die Zuschreibung „oder Papstum“ fast bis zur Unkenntlichkeit durchgestrichen ist.
Bibliographische Angabe: Gottlob Lehmann: Lavierte Federzeichnung von Martin Luther mit brennender Kerze und Exemplar der Confessio Augustana, [ca. 1717]. LATh – StA Gotha, Oberkons. Gen. Loc. 26 Nr. 7, Bl. 208r.
Schlagworte
Polemik, Johannesoffenbarung, Tiara, Zensur, Federzeichnung, Allegorie, Babylonische Hure, PapstumRelevante und verbundene Orte
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Eine Allegorie auf die Wissenschaften und Künste
Eine Allegorie auf die Wissenschaften und Künste
Mit der umfassenden Dokumentation des Reformationsjubiläums wollte Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg sich nicht zuletzt als Förderer der Wissenschaften darstellen. Den Leipziger Kupferstecher Johann Georg Mentzel beauftragte er mit der Anfertigung eines Kupferstichs für die „Hilaria evangelica“. Darauf ist die Büste des Herzogs zu sehen, unter der eine allegorische Figur die „Hilaria evangelica“ schreibt. Verschiedene Wissenschaften und Künste wie die Astronomie, die Geometrie und die Malerei sind zu sehen. Im Hintergrund der Darstellung ist eine große, wohlausgestattete Bibliothek zu sehen, die als unerlässlich Grundlage der Gelehrsamkeit und Kunstfertigkeit dient.
Bibliographische Angabe: [Johann Georg] Mentzel: Kupferstich mit Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg als Förderer der Wissenschaften, [Leipzig, 1719]. FB Gotha, Theol 2° 270/8, Bl. A2r.
Schlagworte
Wissenschaft, Kupferstich, Bibliothek, Kunst, Allegorie, Astronomie, Geometrie, MalerleiRelevante und verbundene Orte
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Der neue Zeitgeist zum 300. Reformationsjubiläum 1817
Der neue Zeitgeist zum 300. Reformationsjubiläum 1817
Während sich der Gothaer Theologe Cyprian um 1717 für eine auf den alten Bekenntnisschriften fußende, abgrenzende und stark staatlich organisierte lutherische Konfessionskultur einsetzte, vertrat der Gothaer Generalsuperintendent Karl Gottlieb Bretschneider (1776–1848) den theologischen Rationalismus der Spätaufklärung und begrüßte die Unionsbestrebungen der Lutheraner und der Reformierten. So deutete Bretschneider in seiner Jubelpredigt auf das 300. Reformationsjubiläum von 1817 – gänzlich anders als Cyprian – sowohl Luther als auch die Reformatoren Huldrych Zwingli und Johannes Calvin als Vorkämpfer der Glaubensfreiheit.
Bibliographische Angabe: Karl Gottlieb Bretschneider: Aus meinem Leben. Selbstbiographie. Nebst dem Bildnisse des Verewigten, hrsg. von Horst Bretschneider, Gotha 1851, Frontispiz. FB Gotha, Biogr 8° 742/5.
Schlagworte
Rationalismus, Bekenntnisschrift, Konfessionskultur, Spätaufklärung, Reformationsjubiläum, GlaubensfreiheitRelevante und verbundene Orte
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Link zum Volldigitalisat: In Gotha gehaltene Predigten Karl Gottlieb Bretschneiders zum Reformationsjubiläum 1817